Samstag, 12. März 2016

11. März 2016 | Familie und Furcht

Da neulich die Frage nach meiner Familie aufkam: Ich bin tatsächlich kein großer Familienmensch (mit eigenen Abkömmlingen wäre das wohl besser, aber um die werde ich wohl eher drumrumkommen), aber man kriegt, was man kriegt, und ich bin eigentlich sehr zufrieden mit meinen Prequels. Seit ich fünf  war (da konnte ich schon lesen, ich Fuchs), bin ich als Scheidungskind mit meiner Mama unterwegs gewesen, hatte mit meinem Papa aber ohnehin nie viel zu tun und emotional ist da zwar nichts Schlechtes, aber von meiner Seite aus mehr ein Vakuum. Klingt brutal, aber was willst du machen.
Meine Mama steht im Lexikon unter "Leseratte" und hat mich entsprechend von früh auf erzogen (habe angeblich mit zwei-drei Jahren unzählige Bücher mit größtem Interesse zerrissen). Dafür unendlichen Dank, so bin ich seit Anbeginn meiner komplexeren Persönlichkeit ein kulturorientiertes Halbgenie gewesen, das irgendwann in der achten Klassen in seinen Gedichtsanalysen Parallelen zu Kafka und Co. ziehen konnte (stehen Lehrer übrigens voll drauf). Ein etwas zynischeres Danke an dieser Stelle auch dafür, dass ich die Vorteile eines Studentenlebens als Kind armer Eltern genießen durfte (und sogar noch eine Weile darf).

Wem das noch nicht an Familienanamnese reicht, beschwert sich bitte in den Kommentaren mit dem Hashtag #deinemudda.

Übrigens heute der erste vorgeschriebene Blogeintrag. Gerade bin ich nämlich auf einem Probenwochenende und ächze hoffentlich nicht bei jeder Rückenbewegung. Am Donnerstag gab's mal wieder eine Liquorpunktion (beugst dich im Sitzen nach vorne und kriegst für ein paar Minuten eine dicke Nadel unten in die Wirbelsäule gesteckt). Ist normalerweise nicht mehr als etwas unangenehm, diesmal traf's nicht richtig oder ich hatte mich nicht gut genug gebeugt oder verspannt, auf jeden Fall musste noch etwas drangewackelt und umgesteckt werden und das war eine Freude für die Nerven. Abgesehen von direkten Empfindungen in der Stelle selbst zog ein blitzartiger Schmerz zwischendurch in den linken Oberschenkel sowie in ein anderes Körperteil, was ich aber nicht näher bezeichnen werde. Jeden Tag ein bisschen erfahrungsreicher. Der linke Oberschenkel-Becken-Bereich beschwert sich immer noch über jeden Schritt. Aber gibt Schlimmeres.

Zum Beispiel (und da kommen wir endlich zum zweiten Teil der Überschrift) die Furcht vor der Reaktion meiner Mama auf meine Prognose. Nein, ich habe es ihr noch nicht erzählt (schreit ruhig "Buuh!"). Die macht sich schon genug Sorgen um mich (wie Mütter eben so sind), da muss sie nicht noch Monate vor tatsächlichen Verschlechterungen verrückt werden. Seine Kinder sterben zu sehen, muss schon ätzend sein, aber als Kind seinen Eltern wegzusterben ist auch kein angenehmer Gedanke. Zudem ich ihr momentan kaum mehr als meine BAföG-Schulden hinterlassen kann. (Sind immerhin nicht allzu viele, man ist ja Stipendiat. Wer errät, bei welcher Stiftung, ohne es vorher zu wissen, kriegt ein politisches Kurzgedicht. Und hat die AfD eigentlich auch schon eine eigene Stiftung? AfbS - Alternative für besorgte Studenten oder so?)
Auf jeden Fall soll sich meine Mama (und meine Oma und wer da alles noch dranhängt) nicht zu sehr wegen mir sorgen. Das mag ich ja gar nicht, dass sich jemand um mich sorgt. Außer meine Leser hier, aber auch euch möchte ich hiermit mehr Freude und Hoffnung liefern denn Sorgen. Sorget euch nicht, denn... ich erspare euch mal biblisch klingende Weisheiten. Noch.

Ich wollte noch eine Furcht-Liste erstellen, aber der Post wird etwas lang und das stört mein (seit jüngster Kindheit erworbenes) ästhetisches Empfinden (denkt euch eine aristokratische Geste dazu). Gibt's dann zum nächsten Mal.


8 Kommentare:

  1. Habe deinen Blog gerade entdeckt und werde ihn ab jetzt verfolgen. :) Du schreibst echt toll, mit so einem Humor. Ich wünsche dir das allerbeste und warte schon auf den nächsten Post. ;)

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  2. Du schreibst wirklich sehr gut und ich wünsche dir, dass du 100 wirst und deine Bafög Schulden selber abstotterst.

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  3. Erzähl, wie war die mündliche Prüfung?

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  4. Du musst deiner Mama die Prognose mit #swag präsentieren! (Hab tatsächlich ne Taste nur für dne Haashtag auf meinem Laptop...crazy)

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  5. Ich habe mal mit einem Freund lange darüber diskutiert, was man wem erzählt, sollte eine solche Situation eintreffen. Damals konnte ich es noch überhaupt nicht nach vollziehen, wie man so etwas nicht sagt. Mittlerweile schon. Aber es macht es leider für die hinterbliebenen nicht einfacher, da sie sich nicht darauf vorbereiten können- aber kann man sich schon auf sowas vorbereiten?

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  6. lass deine mama doch mitlesen. ich könnte mir vorstellen, dass ihr das guttut...

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  7. Danke, dass du schreibst. Dein Humor und deine Einstellung tuen unheimlich gut beim Lesen.
    Ich verstehe, warum du deiner Mutter nichts davon erzählst, mein Vater hat seit Jahren einen Hirntumor und hat mir in den ersten Jahren auch nichts davon erzählt - seine Mutter wusste essogar bis zu ihrem Tod nicht. Ich habe oft mit ihm über seine Entscheidung gesprochen und verstehe, dass er uns die Sorgen ersparn wollte. Ich bin jedoch sehr froh, dass ich jetzt davon weiß. Ein Hirntumor beeinflusst einen doch sehr stark und auch bevor ich davon wusste, habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich denke, es ist für Angehörige sehr wichtig, das Gefühl zu haben, dass sie einem beistehen können und man ihnen vertraut. Ausgeschlossen zu werden, selbst zum eigenen Schutz, ist kein gutes Gefühl. Selbstverständlich kenne ich deine Mutter nicht und weiß nicht, wie sie reagieren würde. Ich kann nur aus meinem eigenen Kopf berichten :)
    Danke nochmal für diesen tollen Blog und alles Gute!

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  8. "Wer errät, bei welcher Stiftung, ohne es vorher zu wissen" - kann man etwas erraten, wenn man es vorher weiß?

    Ich vermute, dass Du Dich neben der AfD in guter Gesellschaft mit der RAF befindest?!

    Vielen Dank, dass Du Deine Erfahrungen teilst und uns daran teilhaben lässt. Es ist sehr berührend. Es macht Spaß, Deine Texte zu lesen, sie schildern so humorvoll die ganze Katastrophe des Lebens. Aber auch als Ärztin finde ich es bereichernd wichtig zu wissen, wie man mit so einer Krankheit wie der Deinen lebt (wir Ärzte behandeln nur die Krankheiten, aber damit leben müssen die Patienten). Danke! Dimi, ich wünsche Dir alles Gute! Julia von Tellerrandmedizin.org

    PS: Bzgl. Deiner Schleimhautentzündung im Mund - warst Du mal beim Zahnarzt? Evtl. auch zu mehreren gehen, Zweitmeinung und so.

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