Dienstag, 31. Mai 2016

31. Mai 2016 | Nie zu lange irgendwo

Neuer, definitiver (?) Entlassungstermin: 9. Juni. Kann ich dem wirklich trauen. Horrorvorstellung: Werde nicht nach Hause, sondern einfach zurück ins Klinikum verlegt. Das ist angesichts meines Zustands wohl eher unwahrscheinlich, aber das ist eben mein Geheimnis: Ich habe immer Angst. (stimmt eigentlich gar nicht)

Gestriger Gewinn: Ohne Hilfe (teilweise) geduscht. Komme wieder an Beine und Füße, auch in der Physiotherapie ist Beugen öfters die Möglichkeit. Und es braucht ganze 60 Treppenstufen hoch, um mich in einen Nahtodzustand zu versetzen. Finde ich gar nicht übel. Dafür brannte der Mund heute Abend so sehr, dass ich nichtmal das Wurstbrot, was meine Mutter mir gebracht hatte (mit richtiger Wurst drauf), aufessen konnte. Habe fast geweint beim Kauen. Bitte nicht wieder, manche Sachen funktionieren doch auch als Einzelerfahrungen gut. Gut, sei froh, dass du deine Beine noch hast.

Kann mir langsam vorstellen, wieder zuhause zu wohnen. Nicht ganz leicht, aber doch. Ja, Waschen wird ein Spaß und ob ich das mit Kochen und Einkaufen alleine so gut hinkriege... naja, bin ja gar nicht allein, von daher. Klappcouch zum Immerwiederbeziehen? Eigentlich auch nicht unrealistisch. Dafür: Beamer, Konsolen und wieder Filmabende aller Art. Habe noch ein paar ungeschaute und ungezeigte Schätzchen hier. Look at my movie collection, ye Mighty, and despair! 

 Die letzten Tage müder, vielleicht zu viel Besuch. Aus- und Nachschlafen tue ich schließlich genug. Wird denn mein Korb noch zum Auszug fertig? Wäre zu traurig, ein unfertiger Korb, und ich weiß ja nichtmal, wie man den zu Ende macht. Will einen fertigen. Ich lag einen Monat lang im Krankenhaus und einen Monat in der Reha und alles, was ich dafür bekam, war ein Korb. Den ich selbst flechten musste. (und noch Dinge wie lauffähige Beine, keinen Querschnitt und weitere Kleinigkeiten, um fair zu sein)

Und ich bin mal listenwillig und mal ganz ego:

5 Dinge, die ich mittlerweile echt vermisse:


1. Sushi

Sonst doch mindestens einmal im Monat zum Buffet. Sushi ist Liebe, Sushi ist Leben. Ich weiß auch gar nicht, ob ich bei dieser Mundschleimhaut viel Spaß daran hätte. Auf Wasabi kann ich auf jeden Fall verzichten, wenn ich das Lokal nicht vollweinen will.

2. Beamer

Vor allem alws Gesellschaftsevent. Wenn dich Leute besuchen, kannst du ihnen irgendwas Schönes zeigen. So redest du, bis es nichts mehr zu reden gibt, und dann streckt man sich paarmal wortlos und sie fahren weg. Und dann redet man noch von guten Filmen und kann nichts zeigen. Schreckliche Hilflosigkeit.

3. PS4 (+ PS3)

Wir erinner uns: Ich habe Bloodborne aufgrund des DLCs immer noch nicht ganz durch und über Ostern gab's ja auch diesen größeren Einkauf. Und dann muss ich ja noch ein paar Highlights auf der PS3 beenden (von Shadow of the Colossus über MGS IV bis GTA V) Ja, muss.

4. Beim Frühstücken am Laptop sitzen

Müsli schlurfen und schonmal Mails checken, nach neuen Angeboten suchen und so weiter. Nicht in einem großen Raum mit zig Mensch, ganz gemütlich bei sich mit dem Blick auf die ganze Welt. So lässt es sich in den Tag starten.

5. Die WG an sich

Mal nach der Post schauen (hurra, die neuen Blu-rays sind da!), mal spülen (ja, tue ich wirklich gerne), kleine Putzaktion starten, Filme neu sortieren, am Heimtrainer radeln, Mitbewohnerin fragen, ob sie Lust und Zeit auf einen Film hat (vermutlich nicht, aber wer weiß), Freunde empfangen, um ihnen wieder einen Filmbrocken um die Ohren zu hauen. Was will man mehr vom Leben?

Na das war doch fleißig. So kann ich das stehen lassen.

Freitag, 27. Mai 2016

27. Mai 2016 | Diesmal auch sofort mit Titel

Aber worüber? Auf dem aktuellen Therapieplan steht "...Aufenthalt...bis 17.06.2016", nur noch drei Wochen also etwa? Drei bin ich schon hier, seit gestern genau, passt also. Aber ist diese Vorstellung, wieder zuhause zu weilen, wieder möglich? Zumindestens frage ich mich, wie das mit meinen lieben Morphinspritzen dann sein wird. Ich bekomme ja wohl keine große Kiste davon zum Mitnehmen, oder? Wenn auch geile Vorstellung.

Nein, ohne schaff ich's noch nicht ganz. Muss mich mindestens einmal am Tag ordentlich betäuben. Kann aber die nächsten drei Wochen dafür nutzen, ohne auskommen zu können? Keine Macht den Drogen und so.

Bisherige Bilanz? Korb vielleicht zu einem Drittel/der Hälfte geflochten (schwer einzuschätzen, ist schließlich mein erster), körperlich sichtlich fitter mit Laufen und Beugen und Drehen und überhaupt, paar schöne Spiele gespielt, endlich das geschenkte Buch zu Ende gelesen (Murakamis "Wilde Schalfsjagd", skurril-melancholisch und durchaus nach meinem Geschmack), sitze auch mittlerweile wieder an den Sopranos und meine Loriot-Box habe ich irgendwann auch durch. Liege weitaus weniger rum als im Klinikum. Und hatte tollen Besuch (und kriege gewiss noch mehr). Paarhundert Views am Tag sind schön, wirken aber doch etwas wenig, brauche bald eine Idee für einen Fame-Schub. Ich könnte zuhause ja mal wieder meine HumbleBundle-Keys im Gamestar-Forum verschenken und den Blog mitlinken, hehe. Nimm alle Leser, die du haben kannst.

Das Morphin wirkt noch etwas nach. Vielleicht Zeit für eine neue Liste? Kopf sagt leider Nein. Wäre zu einfach. Du haust in die Tasten und es kommt direkt etwas Kluges und Humorvolles raus. Du öffnest den Mund und Worte voller Witz und Weisheit verlassen ihn. Einfach, aber schön. Oft geht das auch. Aber dann musst du auch tippen tippen tippen. Denke ich noch an den Tod? Gerade nicht. Und wenn doch? Noch zu weit weg, denke ich, um darüber zu denken. Klang auch schon anders. Ich denke gerade: Wenn mein Arsch und meine Beine gerade nicht (allzu) schmerzen, kann ich doch denklos glücklich sein, nicht. Na, nicht ganz denklos, aber sorglos, vielleicht? Nichtmal die wieder zerstörte Mundschleimhaut belastet gerade. Ist das auch das Morphin? Am Ende lerne ich noch, entsprechend Süchtige zu verstehen. Keine Sorge, bin keiner und werde es auch nicht werden. Habe schon genug andere Probleme, auch wenn sie letztens etwas im Hintergrund verschwimmen. Mir geht es wohl auch zu gut gerade. Aber das ist doch auch etwas Gutes.


Montag, 23. Mai 2016

23. Mai 2016 | Neue Besuche, alte Regeln

Kann wohl auch nicht jeder von sich behaupten, in seiner Reha einen Besuch von seinem Lieblingsmusiker bekommen zu haben. Gibt's da auch einen entsprechenden Club? Wenn ja, bin ich jetzt Mitglied drin.

Natürlich weiterhin Alexander Kaschte von (eher hinter) Samsas Traum und was tut es gut, über eine Generation hinweg sich über ein paar gemeinsame Lehrer auszutauschen. So ein gemütlicher Mensch und wie schade, dass ich nicht direkt einen Tarkowskij-und-Konsorten-Filmabend anhängen konnte. Sollte ich jemals noch für längere Zeit zuhause ankommt, kenne ich jemanden, der sich vor Filmeinladungen nicht mehr wird retten können (Sprüche wie "Ich mag meistens Filme, die alle anderen anstrengend finden." sind bei mir gefährlich, ich habe hier mehr als nur eine Auswahl solcher) - und das ist keine Drohung, es ist ein Versprechen. Ich weiß nicht, wie's ihm ging, ich bin glücklich und zufrieden und freue mich auf die Sichtung der "Live in Berlin"-DVD (gestern gab's erstmal Loriot - die Box muss doch endlich mal fertiggeschaut werden).

Jetzt in Ruhe sterben können? Ich weiß nicht, irgendwie so gar nicht. Nicht wenn man jemanden getroffen hat, der sich seit jeher mit dem beschäftigt hat, womit er sich beschäftigen wollten, mit allen Ambitionen, die gerade gingen, und sich nicht in ein gutbezahltes Studium flüchtete. Manchmal denke ich, die erste Tumore waren Zeichen, es sein zu lassen. Aber ich denke vieles, wenn der Tag lang ist.

Irgendwie kam ich gestern auf meine (selbstaufgestellten, langsam vergessenen) Lebensregeln, aber leider nicht komplett. Vielleicht kriege ich sie jetzt zusammen:

1. Nimm alles, was du haben kannst. Gib mehr, als du nimmst.
2. Überschätze nie deine Mitmenschen. Unterschätze sie ebensowenig.
3. Werde jeden Tag besser.
4. Sei ehrlich. Fordere Ehrlichkeit.
5. Vergib anderen. Vergib dir selbst.
6. Verlass dich nie auf andere. Sie kennen weder dich noch deinen Weg.
7. Respektiere das Netzwerk. Du bist und bleibst ein Teil von ihm.
8. Habe Geduld. Aber warte nicht zu lange. 

Ich glaube, das müssten alle gewesen sein. Ursprünglich waren es 10, aber ein paar wurden zusammengefasst und irgendetwas fiel weg. Hiermit bin ich doch recht zufrieden. Spiegelt mich bzw. mein Ideal-Ich gut wieder. Ja, Regel Nummer 6 mag brutal klingen. Aber was wisst ihr schon von mir und was weiß ich schon von euch?

So, nach diesen zwei Brocken kann es auch an's Ende gehen. Außerdem muss ich gleich wieder an mein Körbchen. Das flechtet sich schließlich nicht von selbst. Egal, wie viel Geduld ich zeigen werde.

Donnerstag, 19. Mai 2016

19. Mai 2015 | Läuft bei dir

Ich habe eine neue Lieblingsspritze. Nicht, dass ich jemals zuvor eine hatte. Manch eine wie der dreifache obere Wirbelsäulenpiekser (wir erinnern uns) hatte es zugegeben auch echt schwierig, andere wie die gegen Throbmose egal (mein Bauch ist auch schon länger nicht mehr mit blauen Flecken eingedeckt), die üblichen Blutsauger sind irgendwann einfach nur nervig (muss sein, aber jetzt habt ihr sie doch endgültig all...oh. Nein, noch nicht.). Die neuen gibt's bedarfsmäßig viermal am Tag sie treffen den Bauch und kümmern sich um die ansonsten höllischen neuen Schmerzen innerhalb der Beine, die selbst Liegen unmöglich machen. Mittig auf dem Rücken ist maximal erleidbar, aber wie lange kannst du die ganze Zeit mitten auf dem Rücken erleiden? Gut, dass ich's dank der neuen Schätzchen nicht mehr muss. Ja, kann sich wieder ganz schnell wieder alles ändern, aber in der Zukunft kann ich leben, wenn ich eine neue Vergangenheit habe.

Therapien haben auch angefangen, bereite gerade das Flechten eines Korbes vor (dann kann ich mir endlich selbst welche geben - Frauen werden so noch redundanter) und freue mich wie ein kleines Mädchen über irgendwas mit Ponys, werde in Physio massiert oder laufe darin herum und lasse mich von Kraftübungen überzeugen (und will eigentlich auch, auch wenn ich größere Problemherde bei mir sehen). Bekomme hier und da noch Bluttransfusionen (ein Schelm, wer da an Bloodborne denkt!), kämpfe mit Takt von Schmerzmitteleinahme, -wirkung und Speisesaalbesuch und ärgere mich, dass ich die Steam-Downloads nicht pausiert hatte, als ich eben für den Blogeintrag kurz einen mobilen Hotspot aufmachte. Anderer kann ich so wirklich bald Game of Thrones spielen, wenn ich jetzt noch kurz was im W-LAN-Bereich schnorre. Läuft doch bei mir.

Da sieht man, was Drogen mit menschlicher Stimmung verursachen. Ja, bin auch leicht benommen. Müsste ich nicht gleich wieder an eine Infusion gehangen werden (wie saftig das klingt!)? Ich wünsche mir einen Western-Thrillern, in dem ganz viele Infusionen gehängt werden müssen. Hahaha. Blod, aber froh dabei.
Aber zu blöd sollte ich auch nicht zu werden. Auch wenn ich in diesen Tagen selten global denke. Ja, mehr so von Tag zu Tag und dass ich nachts gut schlafen kann, erfreut und verwundert mich jedes Mal fu's Neue. Und wenn ich doch mal etwas mehr essen kann als erwartet. Und wenn die Blutabnahme nahezu schmerzfrei verläuft. Klar, mein Zustand fiele ohne die Schmerzmedikation mit lauten Schreien zusammen. Aber wenn die Illusion so oft so schön wahrt, will ich mich gewiss nicht beschweren. Herrje, irgendwas daran klingt doch falsch, oder? Oder..?

Sonntag, 15. Mai 2016

15. Mai 2016 | Nicht mal an einen Titel hat der Knödelkopf gedacht

Letzten Abend dachte ich noch, der heutige Post würde folgendermaßen lauten: "Tut mir leid, Leute, ich bin zu müde zum Schreiben." Aber die Wellen der Krankheit haben einen weiten Range und gerade ich müsste das doch langsam wissen.

Gestern Erkältung, Fieber, lange nicht mehr so lange am Stück gelegen. Die jeweiligen Pobackenmitten schmerzen und wollen mir beim Seitenwechsel die Stimmung versauen. Sie schaffen es, aber der Rest bleibt eher subtil und das erlebt man auch nicht alle Tage. Mittlerweile am Weggehen und das will ich auch schwer hoffen, morgen wollte seine Königlichkeit nämlich interviewt werden. Dank Infektionsgefahr wird erstmal nicht im großen Saal mit allen (Fitten) gegessen und die beliebten Infusionen gibt es auch wieder. Ich begrüße sie wie alte Freunde. Ach, ihr hier und nicht in Hollywood?

Seife nicht vorhanden (wasche meine Hände mit Axe), Essen dafür essbar (reicht auch für den niedrigen Appetit) - eben gab's sogar Eis (was geeht), fetter Fernseher im Zimmer, theoretisch ließe sich tatsächlich eine HD-Konsole anschließen, aber warum der Stress - komme ja kaum an den Laptop bei den Energievorräten, irgendwo unten gibt's auch W-LAN (wenn auch nicht sonderlich Netfllix-geeigenet. Wie ich naives Früchtchen von Netflix im Zimmer träumen konnte, kann ich nicht mehr nachvollziehen.). Doch, ich mag'shier.

Hier ein besserer Schnabelbecher, hier ein besseres Säftchen: Auf kleinen Dingen baut des Sterbenden Glück. Bei all den Schwankungen natürlich weiter dumme Gedanken à la "Keine Beine - Keine Schmerzen in den Beinen". Aber auch viel Ruhe und guter Schlaf und zwischendurch aufs Klo aufstehen tut etwas weh in der Problemzone (ha, kann man auch als Mann haben!), aber ganz ehrlich, was ich in den letzten Wochen schon durchmachen musste.

Hier oben ist eine Frau, die nur "Ah wei, Ah wei" sagt. Man könnte annehmen, sie hätte neulich Avengers 2 gesehen, aber sie sagt es in den unterschiedlichsten Tonlagen, fröhlich-erstaunt, verwundert oder auch wirklich ah-wei-ig Vielleicht ist das der Trick: Man kann und will eigentlich nichts anderes als sich beschweren, aber man ist schon so drüber hinweg, dass man sich gar nicht mehr beschwert. Ist halt so.

Mittwoch, 11. Mai 2016

11. Mai | Dazwischen

Letztes Mal schrieb ich, ich hätte nicht mehr wirklich Angst vor dem Sterben. Vielleicht meinte ich eher: Vor dem Tod. Sterben, da ist ja noch etwas Leben drin, und manchmal glaube ich, habe ich etwas Angst vor dem Leben. Fragt nicht, wieso. Nicht so schlimm, wie es mal vor ein paar Jahren gewesen isr, wenn ich aufwachte, und einfach keine Lust auf nichts hatte. Aber so latent aufgeregt, schon seit ein paar Tagen. Morgen soll's in die Reha gehen und auch das macht mir etwas Angst. Ich werde schwach und zweifle. Was, wenn die Schmerzen dort zunehmen? Was, wenn es dort weiter bergab geht? Was, wenn..?

Dabei bin ich doch gar nicht dieser Mensch. Sorgen kann man sich, wenn es etwas zum sich drüber Sorgen gibt. Gut, die paar kurzen Sehausfälle in den letzten Tagen (immer so im linken Sichtfeld, Dauer: an die 20-30 Minuten) sind schon besorgniserregend, aber was erwartest du, wenn dein Tumor seit einem Monat mit nichts angegriffen worden ist? Und damit soll's auch auch bald weitergehen. Noch bin ich nicht ganz am Verrecken, auch wenn neue Schmerzen in Rücken und Po und sonstnochwo etwas anderes behaupten mögen. Ja, viele Hoffnungen habe ich momentan nicht, bin ja auch viel zu wehleidig. Aber einen Grund zum völligen Verzweifeln, den habe ich auch noch nicht. Natürlich kann jederzeit einer auftauchen. Aber das schauen wir dann. Sorgen machen, das finde ich ja doch ganz falsch. Spricht zudem gegen meinen Glauben und überhaupt.

Ich denke mir oft: Ich muss jetzt stark bleiben, immer. Für meine Leser. Ob nun Verwandte, Freunde oder gänzlich Unbekannte. Bei dieser Rückmeldung schulde ich euch allen das. Reha dürfte da helfen, was man so hört. Ich bin ja immer etwas skeptisch, aber das klingt alles nach einem schönen Ort. Vier Wochen Krankenhaus reichen irgendwann auch, da dürfte mir jeder zustimmen.

Dazwischen, das ist immer etwas seltsam. Nicht mehr wirklich hier, noch nicht ganz dort. Gut, global gesehen bin ich das schon etwas länger. Und mein ganzes Leben ist eine lineare Folge von Umzügen (original: "Mein ganzes Leben ist eine lineare Folge von Fehlentscheidungen"). Ich hatte drei Wohnungen in Russland bewohnt und mit einer kurzen Zwischenstufe fünf hier in Deutschland. Nochmal vom Klinikum in die Reha zu ziehen, sollte ich eigentlich überstehen. Konnte mich heute zudem auch ein wenig ausweinen, ich Pussy - manchmal brauche ich das einfach, braucht keinen klaren Grund. Mit klaren Gründen ist es sogar schwieriger. Nachdem mit mir das letzte Mal Schluss gemacht wurde, konnte ich zum Beispiel gar nicht weinen. Oder hatte ich das nicht schon erzählt?

Ich fürchte, das wird nichts mehr mit diesem Post. Der letzte hatte ja noch etwas, aber dieser... das muss der langsame geistige Verfall sein. Verzeiht mir diese Schludrigkeit. Nächstes Mal gibt's etwas Kreativeres, versprochen (toll, jetzt habe ich auch noch etwas versprochen. Na das kann ja was werden).

Samstag, 7. Mai 2016

7. Mai 2016 | Liebe etc.

Ich wollte schon länger über Liebe schreiben. Aber über welche Liebe überhaupt?

Früher (im letzten Jahr, vor allem) habe ich das oft einfach spontan gedacht, "Liebe". Einfach nur "Liebe". Bezogen auf die Welt, das Leben, das alles. Bin aufgewacht und dachte "Liebe". Kann ich das immer noch? Ich glaube, ja, aber nun nur mit etwas Mühe. Es ist nicht immer leicht, Liebe zu fühlen, wenn man so oft Schmerzen hat. Aber es gibt ja mehr als die Schmerzen. Gut schlafen - Liebe. Besuch bekommen - Liebe. Endlich etwas essen können - Liebe. Sie ist überall, man muss sich nur auf sie einlassen, auch wenn es schwierig ist. Kurz zuhause sein, wie jetzt - auch Liebe. Wenn auch anstrengend und etwas schmerzhaft und ohne wirklichen Plan, was man eigentlich machen will. Immerhin wieder einen Blogeintrag vom Laptop aus tippen. So viel Liebe. Kitschig? Sicher. Aber wenn es mich etwas am Leben hält. Und in der Reha sollte es doch besser werden, oder? Ich habe Angst, dass es das nicht wirklich tut, aber das ist eben mein Geheimnis: Ich habe immer Angst. Vielleicht bin ich einfach nur zu skeptisch. Und im Moment wohl noch etwas benommen von der heutigen Schlafmedikation.

Liebe lieber global. Alles lieben tut nicht weh. Einzelne, manchmal. Aber dann ist es selten wirklich Liebe. Die einzige Frau, die ich wohl wirklich geliebt habe, hat mich irgendwann aus ihrer Facebook-Freundesliste gelöscht. Aber das ist egal. Ich denke an sie zurück und mir wird warm um's Herz. Nicht dass etwas zwischen lief (oder überhaupt hätte laufen können), aber sie hatte mich so berührt, einfach durch ihre Existenz, dass ich mich bis heute an ihr festhalten kann. Vielleicht ist das wahre Liebe, die keine Gegenliebe verlangt. Neulich habe ich geträumt, ich hätte sie gesehen. Sie mich nicht, also bin ich einfach weggelaufen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, mich ihr zu nähern, warum auch immer. Einmal, da hatte ich ihr in die Augen geschaut und es war, als würde ich in ihnen versinken. Bin ich denn jemals wieder aufgetaucht?
Wie gesagt, keine Träume, keine Illusionen, und wahrscheinlich konnte sie mich nie leiden und hat mich wieder vergessen (es hätte damals auch keinen Grund für sie gegeben, mich groß zu mögen) und es ist nicht einmal so, dass ich etwas bereue. Ich bin froh, dass ich solche Gefühle empfinden könnte und immer noch kann. Nicht dieses schreckliche Verliebtsein, sondern diese erfüllende, keine Ansprüche stellende Liebe. Eine Erinnerung, ein Lächeln. Jetzt fühle ich mich sogar wieder besser (war bis eben noch sehr in der "Mimimi"-Haltung).

Ich habe auch nicht wirklich Angst vor dem Sterben, glaube ich. Ich hatte ein tolles Leben und ein paar schöne Sachen stehen sogar noch an. Ich habe Angst vor mehr Schmerzen und Qual. Aber so schwach sollte ich nicht sein. Schmerzen sind auch nur Schmerzen. Habe so viele schon hinter mir, ein paar mehr oder weniger machen doch auch nichts aus?

Und was ich dringend nachholen muss: All der Dank an Freunde und Ärzte und Personal und dann fehlt bisher ein Sonderdank an die Frau (slash beste Freundin slash Mitbewohnerin slash Teilzeitsekretärin slash Ex-Freundin), die wohl momentan die meisten Zeit opfert, damit ich nicht irgendwie umkomme. Danke, Sabine, dass du trotz Uni- und Bachelorarbeits- und sonstigem Stress dich um seelische wie verpflegungstechnische wie organisationale wie sonst jegliche Unterstützung bemühst. Wir mögen seit vielen Jahren getrennt sein, aber das hat unserer Freundschaft wohl nur geholfen. Ich hoffe, ich kann dir auch nur einen Bruchteil von dem zurückgeben, was ich (vor allem in dieser schwierigen Zeit) von dir bekomme.

Ansonsten: Rehaplatz soll nächsten Donnerstag frei sein, was man im Internet über Bad Zwesten liest, klingt eigentlich zu gut, und mal sehen, was ich noch heute zuhause anstellen werde. Bloodborne hat mich jedenfalls gerade leider wenig gereizt (welch' Sakrileg!).


Dienstag, 3. Mai 2016

3. Mai 2016 | Ausgestrahlt

Heute nach der Bestrahlung erfahren, dass es die letzte gewesen ist. Wusste natürlich sonst niemand was davon. Informationsweitergabe gibt es hier anscheinend nicht. Gut, mit soll's recht sein. Jetzt warte ich auf einen Reha-Platz in Bad Zwesten und bekomme weiter meine Infusionen (6 am Tag). Immer wieder das Gefühl, angekettet zu sein. Schön auch, wenn man sie dann kriegt, wenn man eigentlich schon schafen will. Deswegen habe ich gestern noch mehrere Minuten von "Circus Halligalli" mitbekommen und durfte Schweighöfers höllische Lache erdulden. Schmerzen, was war das nochmal?

Appetit ist momentan praktisch ganz weg. Habe heute insgesamt ein Blätterteigteilchen mit Nutella (Grüße an Cousinchen), eine Banane (Grüße an Moritz) und einen Schokokeks (Grüße an Debbie) verspeisen können und bin da sogar recht stolz drauf. Immerhin habe ich noch Durst. Den nimmt mir keiner!

Bald also Reha. Bin gespannt, nervös, ängstlich vielleicht. Warum nur? Sollte doch gemütlicher sein als hier. Schlafen ist manchmal auch schwierig, vorletzte Nacht kein Auge zubekommen, letzte mit Schlafmittel gut überstanden, heute die Frage: Wieder Hilfe seitens Pharmazie? Bin ich ja nicht immer für, aber Schlaf liebe ich doch zu sehr..

Freue mich, bald wieder vom Laptop schreiben zu können. Ist natürlicher und ich kann inhaltlich mehr rausreißen als die aktuellen Zustandsbeschreibungen. Mein Swag leidet zu sehr beim am-Smartphone-Tippen. Und was ist schon ein Blog ohne Swag als eine Wehleidigkeitschronik? Da tun mir ja die Leser leid.

Kategorie supergeil: Habe (dank Leserinnenhilfe) vor ein paar Tagen eine FB-Freundschaftsanfrage von meinem Lieblingsmusiker (Alexander Kaschte, der Mann hinter Samsas Traum u.a., wer sonst) bekommen. Sowas ist dann ja doch hart erfreulich. So lässt's sich gut sterben, denke ich.